Freitag, 9. Dezember 2016
Arier – ein mißverstandener Begriff
Sehr oft stößt man im Internet auf Fragen bezüglich des Arier-Begriffes und was die heutigen ganz vorwiegend schwarzhaarigen Iraner denn nun mit dem „arischen“ Ideal der Nazis zu tun haben sollen, das doch blond und blauäugig gewesen sei.
Nun, wir haben hier den klassischen Fall einer sprachlichen Verwirrung aufgrund einer mehrdeutigen Definition eines Begriffes vor uns. Der Begriff der "arischen" Sprachen wurde ursprünglich von der Sprachwissenschaft des 19. Jh. eingeführt, um diese Sprachfamilie von den semitischen Sprachen abzugrenzen.
Heute verwendet man an Stelle des ebenso mehrdeutigen wie stigmatisierten Wortes "arisch" lieber das harmlose "indogermanisch", das auch fast die gesamte Bandbreite dieser Sprachfamilie absteckt: Das Sanskrit ist ebenso eine indogermanische (arische) Sprache wie das deutsche und die anderen germanischen, aber auch die keltischen, baltischen, slawischen und romanischen Sprachen sowie das Griechische und Persische.
Seinen Ursprung hat dieser Begriff in der Selbstbezeichnung der alten H'ari (Arier), die uns aus den vedischen Schriften bekannt sind. Diese galten als die Ahnen der alten Inder, aber nicht der dunkelhäutigen Vorbevölkerung, die vorher schon in Indien auf niedrigerer Kulturstufe lebte, sondern jener halbmythischen Eroberer, die im zweiten Jahrtausend v. Chr. von Kernasien aus den Hindukusch überquerten und jene dunklere "dravidische" Vorbevölkerung besiegten und unterwarfen. Diese H'ari werden in den Veden als hellpigmentiert beschrieben. So soll Indra, der gottähnliche Führer derselben, einen "goldgelben Bart und goldgelbes Haar" gehabt haben. Im Rigveda ist ständigem von dem „Goldgelben“ die Rede.
Die Rassenforschung des 19. Jh. hat den Begriff schließlich auf den anthropologischen Typus übertragen, der, wie man damals vermutete, allen Völkern, die eine indogermanische Sprache sprechen, ursprünglich zugrunde gelegen haben muß: Also blonde, blauäugige Menschen mit schmalen Köpfen und eher schlankem Körperbau. Man sprach ursprünglich bewußt von einer "arischen" Rasse (anstatt von einer "nordischen", wie es im Hinblick auf Skandinavien wohl passender gewesen wäre, da dort auch heute noch die meisten Menschen dieses Typs leben), da ein solcher Begriff für die meisten Leute, die zum ersten Mal auf diese Frage stoßen, zu stark kontraintuitiv gewesen wäre. ("Wie zum Teufel sollen nordische Menschen in grauer Vorzeit an den Indus gelangt sein".)
Im frühen zwanzigsten Jh. hingegen kam man immer mehr vom Wort "arische" Rasse weg und verwendete stattdessen dann doch das "nordisch" für denselben Inhalt. Der Gedanke, daß es ein- und dieselbe kreative blonde, schmalgesichtige Menschenrasse gewesen war, die im alten Indien, Persien, Griechenland und Rom den Zündfunken für das Entstehen der Hochkulturen lieferte und die auch in jüngerer Zeit der für das Abendland wichtigste Menschentypus war, hatte sich in den Anschauungen der damaligen Forschung fest etabliert.
Im Nationalsozialismus sprach niemand mehr von einer "arischen Rasse". Dieser Begriff wurde in allen offiziellen Schriften gemieden. Er galt einfach als wissenschaftlich veraltet bzw. nicht mehr gebräuchlich und man hätte sich gegenüber ausländischen Rassenforschern, die längst auf den Begriff "nordische Rasse" ("nordic (teilweise auch "teutonic") race", "nordico", "nordiska", "nordyczna" in anderen Sprachen) umgestiegen waren, lächerlich gemacht. Im NS war immer nur von der "nordischen Rasse" die Rede, wenn von dem Typus die Rede war, für den man im 19. Jahrhundert noch den Begriff der "arischen" Rasse verwendet.
Wohl aber hat man im Nationalsozialismus den Arier-Begriff erneut zweckentfremdet. Man hat ihn aus der Rassenkunde heraus- und in den Bereich der politischen Terminologie hineingeholt. So sprach man offiziellen Dokumenten von "Ariern", wenn man damit weiße Europäer meinte, die keine Juden waren. Der in der angelsächsischen Welt gebräuchlichen Begriff der sogenannten "weißen Rasse" (white race) war für die Zwecke der Nationalsozialisten, die ja streng zwischen Juden und Nichtjuden unterschieden, ungeeignet, da dieser Begriff die Juden mit einbezog. Juden galten in der englischsprachigen Welt durchaus als "Weiße". Somit war der Begriff "Arier" im NS definiert als "weiße Nichtjuden".
Ein anthropologischer bzw. rassenkundlicher Begriff war dieser Arier-Begriff allerdings nicht. Es war im NS auch nie die Rede von einer "arischen Rasse", sondern immer nur von "Ariern". Dies konnten sein Menschen der nordischen Rasse, aber auch solche, die anderen "weißen" Rassen wie der ostischen, westischen, dinarischen oder ostbaltischen angehörten.
Indes, alle diese als "Rassen" definierten Menschentypen waren europäische bzw. europäischstämmige. Als "Arier" galten aber nur "Weiße, die keine Juden waren", nicht aber Europide außerhalb Europas. "Weiß" ist nämlich keineswegs mit "europid" gleichzusetzen, sondern meint nur solche Europide, die in Europa leben oder in der neuen Welt von Europäern abstammen. Neben den "weißen" Europiden gibt es auch nichtweiße, z.B. Leute aus Arabien, der Türkei und eben auch - Persien und Indien. Diese wurden natürlich auch wiederum in verschiedene Subrassen unterteilt, allerdings weniger von den Forschern der NS-Zeit, die sich nicht so sehr für die Rassen außerhalb Europas interessiert haben.

Somit haben wir die merkwürdige Situation, daß im Nationalsozialismus

a) ein kleinwüchsig-krummnasig-kraushaariger süditalienischer Mafioso-Typus (um hier mal abgedroschene Klischees zu bemühen) wie Danny deVito durchaus als "Arier" gegolten hätte, sofern er den Nachweis erbracht hätte, daß weniger als 1/4 jüdisches Blut in seinen Adern floß. (D.h. der Urgroßvater durfte noch Volljude sein, der Opa allerdings nicht mehr).
b) ein "nordisch" aussehender Nahöstler wie z.B. Tarek Mohamad nicht als "Arier" gegolten hätte, da er nicht aus Europa stammt und daher als nicht "weiß" gilt.
c) ebenso nordisch aussehende Juden wie z.B. Gwyneth Paltrow nicht in die Kategorie "Arier" gesteckt worden wären, da diese zwar europäischstämmig, aber eben jüdisch ist.
d) schließlich auch Iraner und Inder nicht als "Arier" gegolten hätten, da diese nicht europäischstämmig und damit eben nicht "weiß" sind - ganz egal, welcher Subrasse sie denn nun angehören. Zweifellos tragen Leute wie Tarek Mohamed oder Aishwarya Rai das Erbgut der alten nordischen (indogermanischen) Eroberer Asiens in sich und verschiedenen Statistiken älterer Rassenforscher wie Egon von Eickstädt zufolge sollen in Ländern wie Lybien, der Türkei (besonders bei den Kurden), im Iran und einigen anderen, heute muslimischen Ländern bis zu 3% der Bevölkerung durchaus blond- oder rothaarig sein und auch blaue, graue oder grüne Augen treten immer wieder auf (in einigen Gebieten in Afghanistan und dem nördlichen Iran bis zu 20%). Doch solche Merkmale gelten als spärliche Reste einer im Ganzen gesehenen dort untergegangenen Rasse.

Im Nationalsozialismus war der Arier-Begriff ein zunächst relativ wertungsfreier Begriff. Ob jemand nun Arier oder Nicht-Arier war, machte in der Wertung keinen nennenswerten Unterschied aus, nur daß der Nicht-Arier eben als Fremder galt, der unmöglich Deutscher werden konnte. Nichtarische Völker wie die Japaner oder eben auch Araber, Iraner usw. wurden im NS durchaus in ihrer Eigenart geachtet und selbst die Schwarzafrikaner achtete man in ihrer rassischen Besonderheit, wenngleich man natürlich wie auch der Rest der Welt nicht davon ausging, daß diese die gleiche Befähigung zu europäischer Kultur und Zivilisation aufbrachten wie eben die europäischen Arier.
Erst im Krieg selbst hat man sich zum echten Rassenhass verleiten lassen und zwar gegenüber den Slawen. Führende Figur dabei schien der Slawenverächter H. Himmler gewesen zu sein, den ich für einen Psychopathen halte. Hitler selbst dachte eher milde-belächelnd über die Slawen. Er nahm sie nicht ganz für voll, hasste sie aber auch nicht. Obgleich Menschen der sogenannten "ostbaltischen Rasse", wie sie im russischen, ukrainischen und polnischen Volk vorherrschte, als nichtjüdische Weisse durchaus der Kategorie "Arier" hinzugerechnet worden, machte man in der Propaganda aus ihnen dann doch bald "Untermenschen" und Schergen des in der Tat grausamen bolschewistischen Terrors in der Sowjetunion.
Eine vergleichbare Situation hat man heute übrigens in Bezug auf den IS im nahen Osten: Obgleich die meisten dieser Leute theoretisch allen möglichen Rassen angehören können, wirken sie für den human denkenden westlichen Beobachter oft einfach nur als menschlicher Abschaum bzw. als "Untermenschen", da von ihnen keine kreativen, aufbauenden Impulse, sondern nur Tod, Sadismus und Zerstörung auszugehen scheinen. Und auch heute macht man im Westen wieder denselben Fehler der Nationalsozialisten, hier wieder zu verallgemeinern und nun pauschal gegen alle Muslime zu hetzen ("Islamkritik" und dergleichen), anstatt zu bedenken, daß der IS einfach nur eine menschliche Negativauslese ist, ein Sammelbecken des psychopathisch-kriminellen Abschaums der Welt, unabhängig von dessen Rasse. Nur daß man bei der wechselseitigen Hetze heute nicht mehr wie die Nationalsozialisten mit Rassenbegriffen oder wie die Kommunisten mit Klassenbegriffen arbeitet, sondern - wie im Mittelalter - wieder mit Religionsbegriffen.
Sachliches und unvoreingenommenes Denken scheint selbst in Deutschland kaum eine wirkliche Chance zu haben - selbst bei uns nicht, obgleich wir Deutschen an sich als das Volk der sachlichen Denker gelten. Stattdessen werden überall in der Welt rassische, religiöse oder kulturelle Unterschiede als Vorwand genommen für Terror, Blutvergießen und Unterdrückung. Rassenkunde, Religion oder Kultur sind aber nicht die Ursachen dieser Übel, sondern nur die Vorwände. Die Ursachen liegen in den Einzelmenschen selbst bzw. in der Existenz von mitleids- und gewissenslosen Menschen, sogenannten Psychopathen, die grundsätzlich jede Art von Lehre, Ideologie oder Religion für ihre düsteren Zwecke zu mißbrauchen imstande sind.

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